Freitag, 6. Februar 2009

Evolution zum Zuschauen

In der heutigen Ausgabe des Fachmagazins Science berichten US-Forscher davon, wie sie der Evolution in Echtzeit zugeschaut haben. In dieser Geschichte spielen mindestens vier Protagonisten mit:
Ein Apfel, eine Fruchtfliege, eine Legewespe – und, wie so oft – der Mensch.


Und wie so oft steht der Mensch am Anfang einer modernen Evolutionsgeschichte. Der brachte nämlich vor fast 400 Jahren den Apfel von Europa in die Neue Welt. Worauf die biblischen Früchte der Fruchtfliege namens Rhagoletis pomonella den Kopf zu verdrehen begann. Die Männchen und Weibchen dieser Fliegenart pflegten sich auf den Früchten des Weissdorns zu paaren und dort ihre Eier zu deponieren.
Diese Eier wiederum zogen eine bestimmte Legewespenart an, die in den sich entwickelnden Fliegenmaden ihre Eier legten. Der Nachwuchs der Wespe frass dann die Fliegenmade von innen auf.

Diese Geschichte wiederholte sich jedes Jahr wohl schon seit Tausenden von Jahren – bis der Apfel kam. Langsam entdeckten manche Fruchtfliegen diese neue Frucht als bevorzugten Paarungsplatz. Eine eigene Population innerhalb von Rhagoletis pomonella entstand. Dies konnten die Forscher um den Biologen Jeff Feder nun im Erbgut der Fliegen nachweisen: Die Weissdorn- und die Apfelfraktion unterscheidet sich mittlerweile in den Genen. Noch sprechen die Forscher nicht von einer neuen Art von Fruchtfliegen, sondern von einer Rasse.

Und diese Evolutionsgeschichte hat noch einen Dreh in der Storyline: Die Forscher konnten auch bei den Legewespen eine neue Rasse identifizieren – die nun bevorzugt den Fliegen der Apfelrasse nachstellt. Jeff Feder mag die Idee, dass sich die Artenbildung, die Darwin als "das grösste Rätsel aller Rätsel" bezeichnete, quasi im heimischen Garten lüften lässt: "Die Hinweise zur Lösung dieses Rätsels finden sich da, wo wir auf unseren Gartenstühlen sitzen und Cola trinken. Wir müssen nur unsere Augen öffnen und schon sehen wir auf dem alten, knorrigen Apfelbaum in unserem Garten neue Lebensformen enstehen."

Darwin hätte das bestimmt gefallen.

Der Forscher Jeff Feder ist auch zu sehen im Interview.

(Foto: © Rob Oakleaf, NSF)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.